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15.06.2022
Hohe Waldbrandgefahr
Ein zu trockenes Frühjahr, ein zu trockener Mai und bisher viel zu wenig Regen im Juni, all das hat seine Auswirkungen. Wieder einmal ist es in den Wäldern knochentrocken...
Es gibt Regionen in Deutschland, die bekommen irgendwie immer Regen ab. Der Süden Bayerns ist so eine Region. Knapp 150 Liter Regen pro Quadratmeter gab es im Juni schon, in Oberreute im Allgäu, in Ramsau im Berchtesgadener Land oder in Aschau im Chiemgau. Alles grün, alles saftig, von Trockenheit überhaupt keine Spur. Und dann geht man durch die Wälder im Rhein-Main-Gebiet oder auch in Anhalt bei Köthen und Dessau, und man hofft jeden Tag auf Regen. Es knistert, es knackt unter den Füßen, es ist praktisch keine Feuchtigkeit vorhanden. Auch am und im Erdboden kann man die Trockenheit gut sehen, so z.B. in der Wetterau, knapp nördlich von Frankfurt. Da tun sich große Risse im Boden auf, dort schrumpft der so fruchtbare Lössboden zusammen, weil ihm das Wasser ausgeht und es bilden sich 1 bis 2 cm dicke Spalten. Sehr wenig Regen ist gefallen im Juni 2022, vor allem von Brandenburg bis nach Hessen und Franken hinein. Trockenste Orte in Deutschland sind Gilserberg in Hessen, am Rande des Kellerwaldes gelegen, mit sagenhaften 100 Millilitern Regen pro Quadratmeter. Nicht besser sieht es in Dessau aus, dort 500 ml Regen, Arnstein in Franken 700 ml. Da kann derzeit auch nicht mehr viel Feuchtigkeit aus den Böden verdunsten, denn es ist ja nichts da. Wo der Boden noch Wasser gespeichert hat, da sind es dann 2 bis 6 Liter, die jeden Tag verdunsten und den Pflanzen zum Wachsen fehlen.
Mit der sehr intensiven Sonneneinstrahlung, wir haben derzeit den höchsten Sonnenstand des Jahres, und einer trockenen Luftmasse mit relativen Luftfeuchtigkeiten von teilweise nur 30 bis 40 Prozent führt das von der Pfalz und Hessen sowie von Franken bis nach Brandenburg am morgigen Fronleichnamstag zu einer hohen bis sehr hohen Waldbrandgefahr.
Ein Waldbrand geht übrigens nicht von irgendeinem Ort im Wald aus, sondern vom Boden. Der Waldboden ist mit einer Auflage von Nadel- und Laubresten sowie abgestorbenen Zweigen mehr oder weniger bedeckt. Man nennt dies die sog. Streuschicht. Sie ist als Bodenauflage das interessante, weil von ihr die Initialzündung ausgehen kann. Unterschreitet der Feuchtegehalt der Streuschicht einen Wert von 35 Prozent, so wird es kritisch, liegt der Feuchtegehalt bei 9 Prozent, so wird die Streuschicht als extrem zündfähig eingeschätzt.
Einen Waldbrand „natürlichen“ Ursprungs, der ist allerdings sehr selten. Fast nie entzündet sich eine sehr trockene Streuschicht einfach so. In mehr als 95 Prozent der Fälle löst der Mensch das Feuer aus. Sei es durch mutwillige Brandstiftung, im Sinne von, ach lass uns doch mal schauen, wie schnell das trockene Grasbüschel hier in Flammen steht, oder durch unerlaubte Feuer (Lagerfeuer, Grill) oder durch heiße Teile am Auto. Der Mythos, dass Glasscherben Waldbrände auslösen, wurde allerdings im Jahre 2008 vom Deutschen Wetterdienst widerlegt. In einem Freilandexperiment brachte man 5 farblose Glasscherben (gefärbte Glasscherben reduzieren erheblich das Sonnenlicht und wurden für das Experiment ausgeschlossen) in 20 bis 30 Zentimeter Höhe über dem Boden an, schob darunter Schalen gefüllt mit z.B. Fichten- und Kiefernnadeln, Buchenlaub oder auch Heidekraut und maß die Temperaturentwicklung im Streu. Das Ergebnis: In keiner der 120 durchgeführten Versuche ließen sich die verwendeten Streumaterialien nur mit einer einfachen Glasscherbe entzünden. Den Versuch führte man auch mit einer richtigen konvexen Lupe aus und nur sie schaffte es tatsächlich das Fichtennadelstreu zu entzünden.
Erschwerend im Wald kommt hinzu, dass Glasscherben niemals in ausreichender Höhe über dem Boden schweben oder hängen, damit überhaupt ein möglicher Brennpunkt vorhanden wäre. Dann müsste auch noch die Sonne im richtigen Winkel über eine längere Zeit scheinen. Ein absolut unwahrscheinliches Szenario.
Seien Sie deshalb in den nächsten Tagen und Wochen vorsichtig im Wald unterwegs, machen keine Feuer, werfen Sie keine angezündeten Zigaretten in den Wald und fahren sie nicht mit dem Auto über Waldboden, dann tragen Sie erheblich dazu bei, dass unsere ohnehin schon stark gebeutelten Wälder nicht auch noch von Menschen entfachten Feuern zum Opfer fallen.
Dipl.-Met. Michael Köckritz
ARD-Wetterredaktion